Eiswürfel und Eheringe
Am 19. Januar 2016 im Topic 'Mit Belletristik Licht ins Trist'
Die dunklen Gänge zwischen den turmhohen Einkaufsregalen der Metro fand ich schon als Kind unbehaglich. Man wusste nie genau wo man sich befindet, da jede Ecke dort gleich aussah. Dass ich bis jetzt immer den Weg nach draußen gefunden hatte, erstaunte mich jedes Mal, wenn ich darüber nachdachte. Ich blickte von meinem Einkaufszettel empor und schob den Einkaufswagen, ungefähr die Hälfte meines Gewichts darauf stützend, den Gang entlang. Ab zur Fischabteilung. Ich würde heute Abend meine berühmt berüchtigte Oktopussuppe auftischen, während meine Schwester und ihr Freund vor versammelter Truppe ihre Verlobung bekannt geben. Natürlich war mir die Neuigkeit bereits zu Ohren gekommen. Für meine Schwester war eben reden das wahre Gold. Sie hatte es nicht abwarten können mir vom Antrag, über den Ring, bis hin zu ihren Plänen für die Verlobungsfeier alle Details genau zu berichten. Sie bemerkte natürlich nicht, dass ich als die Ältere von uns beiden etwas frustriert darüber war, dass sie als erste zum Traualtar marschieren würde. Aber als frustrierte siebenunddreißigjährige Polizistin passte man auch nicht wirklich in das Beuteschema der Männer. Aber genug geschwafelt, ich musste aufpassen, um in den richtigen Gang einzubiegen, sonst dauerte der Einkauf wieder länger als geplant. Und ein Gang durch das Einkaufslabyrinth kam mir im Moment am wenigsten gelegen.
Ich steuerte auf die Fischtheke zu. Ich zwang mich im Vorbeigehen die Finger von dem leckeren kostenlosen Sushi zu lassen und stellte mich in die Schlange. Es ging nur mühsam voran. Aber dafür hatte ich mehr Zeit mir die Ware anzusehen, die ich letztendlich kaufen würde. Ich suchte einige Sekunden lang, bis ich den Oktopus gefunden hatte. Er sah ganz passabel aus. Aber eine andere Wahl hatte ich ja auch nicht. Die vielen Eiswürfel würden schon ihre Arbeit tun. Ich sah mir die anderen Waren an, bis mein Blick bei den Sardinen hängen blieb. Nicht etwa weil ich vor hatte welche zu kaufen, sondern weil mir eine davon sehr seltsam vorkam. Zwischen den kleinen Fischen lag etwas, das so gar nicht aussah, wie Fisch. Es war viel heller als der Rest und hatte eine sonderbare Form. Ich verließ die Warteschlange, um mir das genauer anzusehen. Ich kniff die Augen zusammen und betrachtete dieses komische Ding. Die Leute um mich herum sahen mich bestimmt verwundert an, aber das kümmerte mich nicht. Erst recht nicht, als ich begriff, was ich da bereits minutenlang angesehen hatte. Es lief mir kalt über den Rücken. Doch als Polizistin hatte ich gelernt immer einen kühlen Kopf zu behalten und mich nicht so sehr von meinen Emotionen steuern zu lassen. Also griff ich in meine Handtasche, um mein Smartphone herauszuholen.
"John, ich habe eine Neuigkeit für dich.", sagte ich, nachdem ich die Nummer des Polizeipräsidiums gewählt hatte.
"Jaja, die Verlobungsfeier, von der hab ich auch schon gehört.", entgegnete John mir gereizt und gelangweilt zu gleich.
"Was? Nein! Nicht das. Ich habe eine Leiche zwischen Eiswürfeln und Fischfilets entdeckt!"
Ich steuerte auf die Fischtheke zu. Ich zwang mich im Vorbeigehen die Finger von dem leckeren kostenlosen Sushi zu lassen und stellte mich in die Schlange. Es ging nur mühsam voran. Aber dafür hatte ich mehr Zeit mir die Ware anzusehen, die ich letztendlich kaufen würde. Ich suchte einige Sekunden lang, bis ich den Oktopus gefunden hatte. Er sah ganz passabel aus. Aber eine andere Wahl hatte ich ja auch nicht. Die vielen Eiswürfel würden schon ihre Arbeit tun. Ich sah mir die anderen Waren an, bis mein Blick bei den Sardinen hängen blieb. Nicht etwa weil ich vor hatte welche zu kaufen, sondern weil mir eine davon sehr seltsam vorkam. Zwischen den kleinen Fischen lag etwas, das so gar nicht aussah, wie Fisch. Es war viel heller als der Rest und hatte eine sonderbare Form. Ich verließ die Warteschlange, um mir das genauer anzusehen. Ich kniff die Augen zusammen und betrachtete dieses komische Ding. Die Leute um mich herum sahen mich bestimmt verwundert an, aber das kümmerte mich nicht. Erst recht nicht, als ich begriff, was ich da bereits minutenlang angesehen hatte. Es lief mir kalt über den Rücken. Doch als Polizistin hatte ich gelernt immer einen kühlen Kopf zu behalten und mich nicht so sehr von meinen Emotionen steuern zu lassen. Also griff ich in meine Handtasche, um mein Smartphone herauszuholen.
"John, ich habe eine Neuigkeit für dich.", sagte ich, nachdem ich die Nummer des Polizeipräsidiums gewählt hatte.
"Jaja, die Verlobungsfeier, von der hab ich auch schon gehört.", entgegnete John mir gereizt und gelangweilt zu gleich.
"Was? Nein! Nicht das. Ich habe eine Leiche zwischen Eiswürfeln und Fischfilets entdeckt!"
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RADIKALE RECHTE IN BAYERN - EINE NEUE DIMENSION
Am 13. Juni 2015 im Topic 'Gesellschaftliches'
"Festival contre le racisme" an der Universität Regensburg: Gespickt von bitter-trockener Ironie informierte Robert Andreasch vom a.i.d.a. e.V. München gestern nachhaltig über die Entwicklung der rechtsextremistischen Szene in Bayern. Nach anfangs holpriger, rhetorischer Eingewöhnungsphase, stellte er dem aufmerksam lauschenden Publikum, bestehend aus einer kleinen Gruppe junger, politisch interessierter Menschen, verschiedene, dem rechten Rand zuzuordnende Gruppierungen aus Bayern vor. Andreasch zeigte auf, was sie alle in ihrer momentanen Entwicklung gemeinsam haben: das schamlose Ausnutzen derzeit verstärkt auftretender rassistischer, ausländerfeindlicher Grundstimmungen in der bayrischen Bevölkerung. Gleich zu Beginn seines Vortrags fliegen erschreckende Zahlen über die Projektionsleinwand: 76% der bayrischen Bevölkerung stimmt rassistischen, speziell gegen Asylbewerber gerichteten Aussagen zu. Zum Vergleich: Noch vor 8 Jahren waren es lediglich 23%. Diesen immens wachsenden Zuspruch von der breiten Masse genießen die rechten Gruppierungen hauptsächlich, wenn es um die Diskriminierung von Muslimen, Sinti und Roma und Asylsuchenden geht, während antisemitische Haltungen tendenziell abnehmen. Diese Ressentiments, geschürt durch die lokal- und globalpolitischen Entwicklungen der letzten Jahre, bieten eine perfekte Voraussetzung für die Rechten, ihre offensichtlich rassistische und erschreckend nah am Nationalsozialismus angelehnte Ideologie zu verbreiten. Angefangen mit der Kritik, die die Union an der Einwanderung von Osteuropäern im Jahr 2014 übte und tausenden Einwanderern unterstellte, ihre einzige Motivation sei es, dem Sozialstaat auf der Tasche zu liegen, über die unbegreifliche Resonanz, die Pegida im Frühjahr 2015 erhielt bis hin zur hitzigen Diskussion um Europas Aufgaben in der "Flüchtlingsdebatte". All diese Themen ermöglichen es den Rechten in Bayern eine neue Dimension der Mobilisierung zu erreichen. Während man sich vor einigen Jahren noch mit der Äußerung rechtsextremen Gedankenguts zurückhalten musste, aus Angst sein soziales Ansehen zu gefährden, bleibt es für den "einfachen Bürger" mittlerweile folgenlos, sich einer Demonstration rechter Gruppen anzuschließen. Und diese Demonstrationen werden immer häufiger und breitflächiger organisiert. Spätestens seit Pegida wundert sich keiner mehr über Märsche im Sinne rassistischer Ideologie, die weit über die Tausendermarke hinausgehen. Genau dieser Meilenstein, den die patriotischen Europäer gesetzt haben, birgt laut Andreasch große Gefahren. Denn man könne sich freuen, wenn eine Demonstration Rechter "lediglich" zweitausend Anhänger finde, oder, dass solche Aufmärsche "nur" jeden zweiten Montag stattfänden und nicht häufiger. Die Gesellschaft wird also desensibilisiert, wenn es um die rasend schnelle Verbreitung rechter Ideologie geht. Einen nicht allzu kleinen Beitrag zu dieser Entwicklung leisten die sozialen Netzwerke, allen voran Facebook. Dort ist es offenbar möglich, ohne auch nur einen skeptischen Kommentar, einer breitgefächerten Community stolz seinen mit Hitlerportrait, Hakenkreuz und Co. tätowierten Oberkörper zu präsentieren. Ähnlich wenig Widerstand erfahren zutiefst nazistische, menschenverachtende Kommentare zu Asylbewerbern, Migranten oder gar Politikern. Als weitere potenzielle Anhängergruppe sehen die Rechten auch zuvor unpolitische Rockerbanden und Hooligans. Diese, oft gewaltbereiten, Banden stellen eine Zielscheibe für die Propaganda der Rechten dar, da sie besonders mit populistischen Themen, wie Antifeminismus und Homophobie zu locken sind. Diese Themen werden, neben dem Rassismus, häufig von Rechten genutzt, um ein möglichst breites Spektrum an Menschen für die eigene Ideologie zu gewinnen. Es ist wichtig, sich dieser Techniken bewusst zu sein, denn nur ein Problem, das erkannt und ernst genommen wird, dann tatsächlich auch gelöst werden. Es bleibt die Frage, wie sich die Haltung der Bevölkerung nun entwickeln wird.
Das einzige gute an rechten Gruppen, so Andreasch etwas zynisch, sei es, dass sie sich auf Dauer selbst im Weg stehen und zerstreiten, doch allein darauf, solle man sich im Zweifel lieber nicht verlassen.
Das einzige gute an rechten Gruppen, so Andreasch etwas zynisch, sei es, dass sie sich auf Dauer selbst im Weg stehen und zerstreiten, doch allein darauf, solle man sich im Zweifel lieber nicht verlassen.
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NO #PHOTO, SORRY!
Am 02. Juni 2015 im Topic 'Feuilleton des Leben'
Woran erkennt man ihn, den Tag, den man zu den besten des Lebens zählen kann? Genau! Von diesem besonderen, erlebnisreichen und inspirierenden Tag existieren keine spontan inszenierten Schnapschüsse auf sozialen Netzwerken. Ja, liebe Leser, ihr könnt die Kinnlade ruhig wieder mit einer eleganten Bewegung nach oben schieben! Einer der besten Tage des Lebens hat keinen hashtag-besehten Post nötig. Wann sollte man denn auch an einem der besten Tage des Lebens die Zeit aufbringen, sein Smartphone aus den Tiefen seiner Tasche zu holen, um durch einen zugegebenermaßen meist gar nicht mehr so kleinen Bildschirm das zu fotografieren, was man auch mit bloßem Auge in Echtzeit sehen könnte?
Genauso absurd ist das allzu häufig zu beobachtende Phänomen, dass man auf Reisen die meiste Zeit damit verbringt, Sehenswürdigkeiten auf einem Foto einzufangen, statt das Szenario, in dem man sich hautnah befindet, auf sich wirken zu lassen -und das ohne zugegebenermaßen meist gar nicht mehr so kleinen Bildschirm dazwischen. Könnte man diese besondere Zeit besser nutzen? Ja, man könnte den Moment intensiver spüren, sich von der Stimmung berauschen lassen. Wer weiß, vielleicht hätte sich ja ein tiefgründiges Gespräch entwickelt, wenn man nicht das Handy gezückt hätte, um mit den Worten "Moment, ich muss erst mal ein Selfie machen!", jegliche Tiefgründigkeit im Keim zu ersticken.
Nun werden sich bestimmt schon die Ersten, von meiner Absurdität tangierten Menschen, zu Wort melden: "Aber dann hat man ja gar keine Erinnerung mehr an diesen ach-so-besonderen Tag!"
Da sage ich, natürlich hat man keine visuelle Erinnerung in Form eines Fotos - und man kann es zum Leidwesen der eigenen Selbstinszenierung nicht im Internet teilen. Aber macht nicht genau die Gefahr der Vergänglichkeit auch eine besondere Erinnerung aus? Ist die Erinnerung an einen Tag oder Moment noch so besonders, wenn sie jeder im vorbeiscrollen auf seinem Newsfeed sieht? Da wird die exklusive Erfahrung zu einem exoterischen Schnapschuss degradiert. Wollen wir das wirklich? Ich denke, die Formel lautet schweigen und genießen.
Genauso absurd ist das allzu häufig zu beobachtende Phänomen, dass man auf Reisen die meiste Zeit damit verbringt, Sehenswürdigkeiten auf einem Foto einzufangen, statt das Szenario, in dem man sich hautnah befindet, auf sich wirken zu lassen -und das ohne zugegebenermaßen meist gar nicht mehr so kleinen Bildschirm dazwischen. Könnte man diese besondere Zeit besser nutzen? Ja, man könnte den Moment intensiver spüren, sich von der Stimmung berauschen lassen. Wer weiß, vielleicht hätte sich ja ein tiefgründiges Gespräch entwickelt, wenn man nicht das Handy gezückt hätte, um mit den Worten "Moment, ich muss erst mal ein Selfie machen!", jegliche Tiefgründigkeit im Keim zu ersticken.
Nun werden sich bestimmt schon die Ersten, von meiner Absurdität tangierten Menschen, zu Wort melden: "Aber dann hat man ja gar keine Erinnerung mehr an diesen ach-so-besonderen Tag!"
Da sage ich, natürlich hat man keine visuelle Erinnerung in Form eines Fotos - und man kann es zum Leidwesen der eigenen Selbstinszenierung nicht im Internet teilen. Aber macht nicht genau die Gefahr der Vergänglichkeit auch eine besondere Erinnerung aus? Ist die Erinnerung an einen Tag oder Moment noch so besonders, wenn sie jeder im vorbeiscrollen auf seinem Newsfeed sieht? Da wird die exklusive Erfahrung zu einem exoterischen Schnapschuss degradiert. Wollen wir das wirklich? Ich denke, die Formel lautet schweigen und genießen.
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